Schweriner Volkszeitung 22.09.2004
Windkraftriesen auf Distanz: Land ändert Mindestabstände
Kritik an "Handlungsempfehlungen"
von Planern und Gegnern
Schwerin • Windkraftriesen
bekommen mehr Abstand zu Wohngebieten verordnet. In einer Neufassung
der so genannten Handlungsempfehlungen für die Kommunen vergrößert
die Landesregierung die Mindestabstände im Schnitt auf das
Doppelte und trägt so dem rasanten Größenwachstum
der Öko-Stromproduzenten Rechnung.
"Statt bisher 500 Meter Abstand
von allgemeinen Wohnbebauungen gelten künftig 800 Meter bei
Anlagen unter 100 Meter Höhe und wenigstens 1000 Meter bei
mehr als 100 Meter aufragenden", sagte Bernhard Heinrich, Landesplanungschef
im Schweriner Bauministerium, gestern unserer Zeitung.
An Einzelhäuser oder Splittersiedlungen
dürfen die Rotoren nicht mehr 300 Meter, sondern maximal 500
oder 800 Meter (über 100 m Höhe) heranrücken.
Mit der von Bürgerinitiativen
und Naturschützern seit Jahren geforderten Aktualisierung schiebt
das Land gleichzeitig Windkraftplänen außerhalb von Eignungsgebieten
einen Riegel vor. Für die dort auf Basis von Ausnahmefallgenehmigungen
errichteten Anlagen gebe es zwar Bestandsschutz, sagte der Ministerialexperte.
Dieser erstrecke sich aber nicht
auf Nachfolgeprojekte an gleicher Stelle. Heinrichs: "Damit
kurieren wir die Sündenfälle der Vergangenheit."
Sowohl Windkraftskeptiker als auch
Branchenvertreter meldeten nach einer abschließenden Argumentationsrunde
am Montagabend allerdings scharfe Kritik an.
Das federführende Bauministerium
hätte die Abstandsmaße klipp und klar als Gesetz festschreiben
müssen, monierte die Bürgerinitiative "Windkraft
wie weiter?".
Die vage Einstufung als "Handlungsempfehlungen"
schaffe akute Rechtsunsicherheit und provoziere geradezu neue Konflikte,
warnte Norbert Hein, Vorstandsmitglied des vor allem im Raum Parchim
präsenten Zusammenschlusses lokaler Protestbündnisse.
"Verantwortung auf die Gemeinden abgeschoben"
"Das erweckt den Eindruck, dass
das Ministerium Verantwortung und Auseinandersetzungen auf die Gemeinden
abschieben will", lautete sein Fazit. Die mit dem Verfahren
restlos überforderten Kommunen würden dann "von Investoren
über den Tisch gezogen", befürchtete Hein.
"Genau deshalb geben wir ihnen
die Handlungsempfehlungen ja als Orientierungshilfe mit auf den
Weg", hielt Heinrichs dagegen. Diese Praxis interpretiere den
aktuellen Stand der Rechtslage und zeige den Verantwortlichen:
"Bis dahin seid ihr auf der
sicheren Seite." Gleichzeitig ließe sie den Kommunen
aber auch die immer wieder geforderten Planungsspielräume.
Die Boombranche sieht mit den Landesregularien
ihrerseits Investitionen in Gefahr. Die bestehenden Eignungsräume
und die jetzigen Vorgaben müssten auch für laufende Planungen
gelten, forderte Johann-Georg Jaeger, Landesgeschäftsführer
des Bundesverbands WindEnergie.
Gleiches gelte auch für das "Repowering",
den Ersatz kleiner alter Anlagen durch große und leistungsstarke.
"Schließlich liegt mit der teuren Leitungs- und Verteiltechnik
ein Großteil der Investitionen im Boden", betonte Jaeger.
Landesvertreter Heinrichs machte jedoch
klar: Wenn innerhalb von Eignungsgebieten eine alte Anlage durch
eine neue ersetzt werden soll, dann gelten natürlich auch die
neuen Abstandsregelungen."
Und die sollen bereits in wenigen
Wochen die Vorgaben von 1998 ersetzen. Nach der Auswertung der Montagsdebatte
und der Endabstimmung mit dem Umweltressort, so Heinrichs, stehe
dem In-Kraft-Treten per Abdruck im Amtsblatt nichts mehr im Wege.
Frank Ruhkieck

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